„Ich bin Hulk“

Meike berichtet:

„20. Mai

Heute habe ich vor der Arbeit schon mit dem Vermieter telefoniert und wichtige Dinge geklärt. Strom und Co. meldet er an, darum müssen wir uns nicht kümmern. Das ist doch schon was. Eigentlich brauchen wir nur Telefon und Internet. Das kriegen wir hin.
Danach ging es weiter mit dem Transporter. Wir haben einen Kontakt über die Facebook-Gruppe bekommen, den ich anrief. Auch hier ein Erfolg – wir müssen zwar Samstag früher starten als geplant, aber da müssen wir trotz Party am Freitag jetzt durch. Der Besitzer der Küche weiß auch Bescheid und hat Zeit. Wir puzzlen, aber wir puzzlen gut.

Dann fällt auf: In der kompletten Sachspendenliste gibt’s keine 140-cm-Matratze. Also eBay. Da gibt’s eine, die infrage kommt. Der übliche Weg: Dem ältesten Sohn Foto und Preis nennen, er fragt seine Mutter, sie ist einverstanden, Matratze klarmachen. Heute ist kein Auto in Sicht, aber die kurze Verzweiflung endet, als ich sehe, dass die Matratze zwei Straßen neben meiner lagert. Das schaff ich. Ich bin Hulk.

Zwischen Feierabend und Sport ruft Frau F. mich an – sie hat den vorletzten fehlenden Bettrahmen und kann ihn bringen – und sie sammelt auf dem Weg direkt noch eine Matratze ein und bringt sie mit. Läuft.
Ich war dann noch kurz beim Sport und habe eine erstaunlich schwere Matratze abgeholt und 200 Meter nach Hause gewuchtet. Steht im Keller. Wie ich sie die Treppe wieder hochbekommen soll, ist mir ein Rätsel. Aber nachdem die Verkäuferin sogar noch bis zur Ecke mitgeschleppt hat, finde ich Samstag auch einen Nachbarn, der nicht schnell genug nein sagt.

Alena hat trotz Krankheit mitorganisiert und angefangen eine Einkaufsliste und eine Liste für Kleinkram zu schreiben, der noch gebraucht wird.

Fazit des Tages: Ich bin doch nicht Hulk. Brauchen wir noch einen Wasserkocher?“

Text und Foto: Meike Hermwapelhorst

Ein erster Einblick

Meike berichtet:

2. Mai
Heute haben Alena und ich eine Liste von Familien bekommen, die bald ausziehen. Es sind einige und wir suchen uns eine aus – ich kenne nicht einmal irgendwen davon, aber Alena gibt in der Unterkunft Deutschkurse und kennt einige. Für mich war es nur wichtig, dass ich sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann, da ich kein Auto habe. Wir haben uns für Familie Af. entschieden – eine Mutter mit sechs Kindern zwischen 3 und 16 Jahren. Direkt mal eine Mammutaufgabe. Aber alle sprechen Englisch und teilweise ein bisschen Deutsch. Das soll schon werden.

3. Mai
Alena und ich waren in der Unterkunft und haben mit der Mutter der Familie gesprochen, uns vorgestellt und sind mit ihr die ersten Dinge durchgegangen. Wir haben ihr gesagt, dass wir ihr beim Auszug helfen und sie schien froh darüber zu sein. Jetzt muss ich mir nur noch die Namen der sechs Kinder merken.

4. Mai
Ich habe bei der Vermieterin angerufen und mich vorgestellt. Sie schien erleichtert, einen deutschsprachigen Ansprechpartner zu haben und meinte, die Wohnung werde im Moment noch renoviert, sei aber bald bezugsfertig. Wir haben bei eBay Kleinanzeigen schon eine sehr günstige Waschmaschine gefunden und dürfen sie am Freitag vorbeibringen. Der Anfang ist gemacht.

8. Mai
Die Waschmaschine ist da. Ein erster Schritt zur eingerichteten Wohnung. Außerdem war der Besitzer der Wohnung sehr nett und neugierig. Das gibt uns ein gutes Gefühl.

17. Mai
Heute war der erste große Tag.
In den letzten zwei Wochen waren Alena und ich mehrere Male in der Unterkunft und haben mit der Mutter darüber geredet, was wir bis dato geplant haben und welche Fortschritte wir machen. Zum Glück müssen wir nicht für jedes Möbelstück in die Unterkunft, denn der älteste Sohn hat ein Smartphone und wir können ihm Fotos per Whatsapp schicken, die er dann seiner Mutter zeigt. So bekommen wir schnelle Rückmeldungen dazu, ob ihr die Möbel gefallen. Wir möchten, dass die Mutter so viel wie möglich vorab sieht und abnickt, damit sie sich hinterher in ihrer Wohnung wohlfühlen kann.
Wir haben die Sachen entweder sehr günstig bei eBay gefunden und mit den Anbietern den Sonntag als Abholtermin vereinbart, oder wir haben sie in der Sachspendenliste gefunden, die von Angelika Feß betreut wird. Angelika hat den ultimativen Überblick über alle Spenden, die von irgendwem angeboten wurden. Sie ist eine riesige Hilfe. Wenn man ihr sagt, man braucht ein Bett oder einen Schrank, vermittelt sie Fotos und den Kontakt. Wir haben dann immer dem ältesten Sohn Fotos geschickt und wenn es gut war, haben wir Kontakt aufgenommen zum Spender und mit ihm den Termin abgesprochen. Zum Glück hatten die meisten an diesem Sonntag Zeit.
Heute also haben wir einen Transporter gemietet und ein paar starke Männer aus der Unterkunft mitgenommen, um alle Sachen einzusammeln. Diese Hilfsbereitschaft und das Teamwork sind großartig. Auch die Familie selbst war in der Wohnung und hatte schon einmal angefangen zu putzen. Am Ende hatte jedes Kind einen Putzlappen in der Hand.

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18. Mai

Ein kleiner Durchhänger. Ja, es war anstrengend gestern. Obwohl ich nicht einmal selbst viel geschleppt oder aufgebaut habe (denn das kann ich leider nicht), bin ich müde von der Fahrerei und dem Gewusel um mich herum. Wir hatten unsere Jungs und die haben unermüdlich abgebaut, getragen und aufgebaut. Fazit des gestrigen Tages: In der 110 Quadratmeter großen 4-Zimmer-Wohnung stehen fünf von sieben Betten komplett, die restlichen teilweise (aber das kriegen wir auch noch hin). Das Wohnzimmer hat eine Sofagarnitur mit Tisch, Fernseher und Fernsehschrank plus Regal. Das Schlafzimmer der Mutter und der Kleinsten ist eingerichtet.

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Ich bin heute müde, aber sehr glücklich müde, weil wir gestern durch die Zusammenarbeit von Bewohnern der Unterkunft, der Familie und Ehrenamtlichen unglaublich viel geschafft haben. Sogar für eine zweite Familie haben wir am Ende noch eine Wohnungsauflösung genutzt und konnten so auch diese Familie fast vollständig ausstatten. Nun fehlen Teppiche, Gardinen und: die Küche. Dafür brauchen wir dann doch erst einmal Geld vom Amt. Und darauf warten wir jetzt.

Zwischenfazit: Als ich die Betreuung der Familie übernommen habe, wusste ich nicht, was genau auf mich zukommt, aber ich dachte, zusammen mit Alena schaffe ich das schon. Nun sind die ersten zwei Wochen nach der Entscheidung vergangen und auch, wenn ich in manchen Momenten denke, das ist schon viel Arbeit neben einem Vollzeit-Job mit Pendeln, freue ich mich, dass ich es mache und bin gespannt auf die Sachen, die noch kommen, bis jeder Mensch in dieser Familie das Gefühl hat, zuhause zu sein.

Tex und Fotos: Meike Hermwapelhorst

Alena berichtet:

18. Mai
„Jetzt aber schnell…
Am Wochenende haben wir (mit großer Unterstützung) schon viel geschafft. Nun hat uns die Mutter der Familie mitgeteilt, dass sie in Ihre Wohnung ziehen muss. Damit haben wir nicht gerechnet. Jetzt wird es dringlich zumindest eine Matratze für jeden und eine Küche zu organisieren, damit die Kinder versorgt werden können. Aber spontan, das können wir ja. Meike hat mit der Mutter Kleinanzeigen durchstöbert und geschaut, welche Küchen finanzierbar sind und auch ein bisschen gefallen. Und es wurde direkt ein Schnäppchen aufgetan. Sofort abholbereit. Sofort!? Das ist vielleicht doch zu spontan. Die Küche können wir Samstag abbauen und holen. Schnell wurden ein Transporter und Helfer organisiert. Da uns aber sicher der Freitagabend im Rekorder in den Knochen stecken wird, verschieben wir den Aufbau auf Sonntag. Auch da konnten wir schon geschickte Helfer mobilisieren, die anpacken werden.
Fehlt noch eine 1,40-m-Matratze. Dank Meikes geschultem Auge konnte sie eine im Internet finden. Ein Rabatt wurde ausgehandelt und die Matratze nach Hause geschleppt. Freitag wird noch kurz „geshoppt“ und die wichtigsten Utensilien, wie Bettdecken etc. gekauft.
Wir hatten gehofft die Wohnung etwas…na ja wohnlicher gestalten zu können, bis alle einziehen. Aber wenn bis Sonntag die wichtigsten Gegenstände da sind, muss das wohl erst mal reichen und die Wohnung kann bezogen werden.  Wir sind bisher sehr froh, dass alles so gut geklappt hat. Natürlich nur mit den ganzen fleißigen Helfern!!!! Aber irgendwie freuen wir uns auch, wenn der große Stress erst mal vorbei ist und wir von der Mutter der Familie als Dankeschön lecker bekocht werden.“
Text: Alena Mörtl