Das erste Willkommens- und Begegnungsfest für Geflüchtete und Freunde im Dortmunder Westpark
Im Juni überraschte unsere Vorsitzende Nahid uns mit einer absurden Idee: Wir könnten doch Ende August als Verein im Westpark ein Willkommensfest für geflüchtete Menschen veranstalten. Die meisten von uns hatten Bedenken:
Wie sollen wir das schaffen?
Wir hatten gerade erst unsere Gemeinnützigkeit als Verein erlangt, waren mitgliedermäßig noch nicht gut aufgestellt, viel zu viele organisatorische Dinge, wie der Abschluss einer Haftpflicht- und Unfallversicherung sowie die Struktur des Vereins waren noch längst nicht abgeschlossen und erledigt.
Nahid überzeugte wenige, überredete die meisten. Besonders zog ihr Argument, dass sie bereits viele solcher Veranstaltungen organisiert hatte und dass die „Naturfreunde Kreuzviertel e.V.“ einen großen Anteil der Vorarbeiten übernehmen würden, wir also nicht allein zuständig seien.
Mitgehangen, mitgefangen
kann man da nur sagen. Jeder arbeitete in der Organisation so gut wie möglich mit: Ein Antrag für finanzielle Unterstützung wurde in der Bezirksvertretung gestellt und genehmigt; das Fest bei der Verwaltung, Polizei und Feuerwehr angemeldet; die Bühne, Anlage, Tontechniker, DJs, Musiker und Essensanbieter angefragt, Presseerklärungen und Einladungen geschrieben; die Flüchtlinge kontaktiert und eingeladen; Sachspenden abgeholt; auf den letzten Drücker noch ein Dixie-Klo, sowie Pavillons, Biertischgarnituren und eine Hüpfburg organisiert, der Plattenspieler beim „Rekorder“ abgeholt. Mitglieder wurden eingebunden, es gab einige kleinere Abstimmungstreffen und manchmal auch Unstimmigkeiten, Zeitdruck, Stress.
Und dann das Fest, das alle Erwartungen übertraf:
Bereits am Morgen war klar, unsere Sorge, beim Aufbau nicht genügend Helfer zu haben, war unbegründet. Im Nu waren die Bühne, Biertische und der Infostand aufgebaut. Dabei halfen auch viele Geflüchtete mit. Das Wetter spielte ebenfalls mit.
Eher entspannt als gestresst war die Stimmung. Alle waren gut gelaunt. Gegen Mittag bauten die ersten Essensanbieter ihre Stände auf: Der „Kiosk Adlerstraße 59“ warf den Grill an, Getränke wurden kaltgestellt, das „Sweet Chili“ brachte Warmhaltegefäße voller tamilischer Köstlichkeiten, die nigerianische Studentengruppe und Dilara mit ihren KommilitonInnen drapierten ihre selbstgemachten Speisen. Selbstgebackene Kuchen wurden zum Stand der „Naturfreunde Kreuzviertel“ geschleppt, die Kaffeemaschine und der Samowar angeworfen.
Die Kisten für das Kistenklettern wurden zusammengebunden, die Slackline gespannt, die Hüpfburg aufgeblasen und der Plattenspieler warm gespielt. Kurz vor der Veranstaltung hatte sich auch noch „Velokitchen“ mit einer „Schrauberwerkstatt“ angemeldet, da fuhren auf einmal – sehr konsequent – Fahrräder mit Anhängern heran, auf denen sich die Spendenräder, die an diesem Tag fit gemacht werden sollten, nur so stapelten. Die „Urbanisten“ brachten kleine Leinwände und Farben für eine Malaktion und auch ein Stand für das Kinderschminken wurde aufgebaut.
Und schon war das Fest im vollen Gange
Immer mehr Menschen saßen an den Biertischen, breiteten ihre Decken im Schatten aus und machten es sich gemütlich. Familie Eroglu kam kaum nach, die Getränke zu kühlen, so gut war der Absatz für Wasser, Softdrinks und Bier.
Nach einer Begrüßung durch die Moderatorinnen Alena und Angela hielt Bezirksbürgermeister Friedrich Fuß eine flammende Rede gegen Terrorismus und Krieg und FÜR eine Willkommenskultur, die Menschen hier gut ankommen lässt. Die Musikgruppe „Name“ machte den musikalischen Auftakt, anschließend abgelöst durch DJ Capulcek. Während die Leute bei der Band noch lauschten, fingen die ersten nun an zu tanzen – gemeinsam in der Reihe, sich an den Händen fassend. Man kannte sich nicht, aber griff einfach nach der nächstbesten Hand, um sich einzureihen. Lachende Gesichter, fröhliche Mienen, fliegende Füße.
Es folgte kurdische Musik durch Geflüchtete selbst, die besonders die syrischen und kurdischen Flüchtlinge vor die Bühne brachte. Für westliche Ohren eher ungewohnt, war diese Musik für die Menschen wie ein kurzer Trip zurück nach Hause.
So ging es weiter. Als abends die Jazzgruppe „Do-Town-Wonder-Bros“ auftrat, wurde zwar nicht mehr getanzt, aber die Musik war der perfekte Hintergrund-Sound für das inzwischen riesige Picknick auf der Wiese. Für den musikalischen Ausklang sorgte DJ Nessano.
Die Kinder waren glücklich. Vom Verein versorgten wir sie mit Seifenblasen, ansonsten konnten sie ihr Geschick beim Slacklining und Kistenklettern ausprobieren (immer wieder brandete Applaus auf, wenn ein Kind es schaffte, alle 21 Kisten zu stapeln und ganz hoch zu klettern), die Kleineren vergnügten sich auf der Hüpfburg oder ließen sich die Gesichter schminken. Außerdem gab es einen tollen Leinwandworkshop von den „Urbanisten“ und dem „Jugendkulturcafe Dortmund“ (JKC).
„Velokitchen“ konnte zwei Fahrräder an Eritreaner vermitteln und an unserem Infostand vom „Projekt Ankommen e.V.“ warteten viele Menschen geduldig, bis einer von uns wieder frei war, um ihre Fragen zu beantworten. Wir hatten viele tolle Gespräche mit Interessierten. Insgesamt rund hundert Leute meldeten sich als Helfer auf unseren Kontaktlisten an, zwanzig entschieden sofort, dass sie uns als Mitglied unterstützen wollen.
Immer wieder bekamen wir die Rückmeldung, wie toll das Fest sei und wie gut die Stimmung – sowas dürften wir gerne öfter organisieren! Das Wetter konnte nicht besser sein, eher lieber ETWAS kühler, aber trotz der Hitze kamen geschätzt im Verlaufe des Tages weit über tausend Menschen.
Ein paar Mal wurden wir gefragt, wo denn nun die Flüchtlinge seien, für die das Fest doch organisiert wurde
Wir wissen nicht, was die Menschen erwarten, wie Flüchtlinge aussehen würden. Wir wissen aber, dass viele von ihnen, sogar aus anderen Städten, da waren und viel Spaß hatten. Und eigentlich war das ja auch genau unser Ziel: Dass diese Menschen sich unter uns mischen.
Am Ende erreichte die Euphorie alle Besucher. Und wir danken Nahid ein bisschen für ihre verrückte Idee. Wie heißt es so schön, „alle sagten, das klappt nicht, bis einer kam und es einfach machte.“
Wir danken außerdem von Herzen:
- Den „Naturfreunden“, ohne die wir das wirklich nicht gepackt hätten, für ihre Hilfe im Vorfeld und während des Festes – und ganz besonders auch für die großzügige Spende: Der gesamte Erlös des Kuchen- und Kaffeeverkaufes kommt nun dem Verein zugute.
- Allen Helfern im Aufbau und Abbau, hier insbesondere auch den jungen Männern, die ganz spontan mit Müllsäcken die kleinen Gruppen auf Picknickdecken abklapperten und den Müll einsammelten, so dass wir auch im Nachhinein einen guten Eindruck hinterließen.
- Felicitas Danberg für das Poster- und Flyerdesign
- Der Bezirksvertretung Innenstadt-West sowie dem Verein proJazz für die finanzielle Unterstützung.
- Dem Essensanbietern Dilara und anderen Studierenden, die geflüchteten Menschen immer wieder Essen umsonst ausgaben und die am Ende noch ihre Einnahmen spendeten.
- Lush und BVB für zahlreiche Sachspenden.
- Velokitchen, den Urbanisten, dem JKC, der Kinderschmink-Queen Christiane und dem Zauberer Pilloso für ihre Aktionen.
- Fee-Jasmin Rompza und Theresa Albers für die wunderschönen Fotos
- Last not least: Allen Interessierten, die sich die Zeit nahmen, am Stand mit uns Gespräche zu führen.
Seit dem Westparkfest haben sich die Ereignisse überschlagen: Nach einer kurzen Woche, in der wir uns alle erstmal sammeln mussten, kam das Wochenende des #trainofhopedo, und die Hilfs- und Spendenangebote wurden mehr als je zuvor. Wir freuen uns sehr über diese Wilkommenskultur und hoffen, dass die Hilfsangebote von Nachhaltigkeit und einer gewissen Verbindlichkeit geprägt sind. Denn selbst, wenn die Zahlen der Flüchtlinge sinken sollten (was momentan ja überhaupt noch nicht der Fall ist), die Arbeit ist noch lange nicht getan. „Ankommen“ ist ein Prozess, der Zeit braucht. Daher freuen wir uns über jedes Hilfsangebot!
Wir arbeiten in den kommenden Wochen auf Hochtouren daran, alle Mitglieder und Interessierte einzubinden – und bitten um Geduld, wenn Ihr nicht sofort von uns hört oder lest.
Danke an all euch wunderbare Menschen!
Euer „Projekt Ankommen e.V.“
(Text: Astrid Cramer, Fotos: Theresa Albers