Nachrichten aus Idomeni II

Vorletzten Samstag haben sich Nahid und Alena aus unserem Vorstand auf den Weg nach Idomeni in Griechenland gemacht, um sich vor Ort ein Bild von den Zuständen zu machen und mit anzupacken. Dafür wurden im Vorfeld Spenden gesammelt, mit denen sie die Hilfe vor Ort unterstützen wollen. Hier ist ihr zweiter Bericht.


Tag 4

Das Wetter hat sich glücklicherweise wieder stabilisiert und es war ein sonniger wärmer Tag. Heute haben wir vor der Arbeit im Camp das riesige Warehouse besucht. Die Lagerhalle wird von Ehrenamtlichen betrieben und durch Spenden finanziert. Für einige Familien zu denen wir nun engeren Kontakt haben wurden Tüten mit den notwendigsten Dingen zusammen gestellt. Im Camp haben wir die Familien aufgesucht und die Sachen verteilt. Bei immer mehr und intensiver werdenden Gesprächen wird die Hoffnungslosigkeit der Menschen deutlich. Viele haben schon mehrfach versucht über die Grenze zu kommen. Mit harter Gewalt wurden die meisten wieder zurück ins Camp gebracht. Die Menschen erzählen von 5,6 Versuchen. Jedoch schmieden immer mehr, in Anbetracht des Drucks der Regierung hier, erneute Pläne.
Am Nachmittag haben unsere Unterrichtsstunden stattgefunden. Zu erst haben die Kinder und im Anschluss die Erwachsenen einen Englischkurs auf Farsi von Nahid bekommen. Gleichzeitig hat Amir, ein Junge der uns sehr schnell ans Herz gewachsen ist, Deutschunterricht von Alena erhalten. Mit Hilfe des selbst gebastelten Deutschbuchs wurde fleißig das ABC und die ersten Vokabeln gelernt.

Tag 5

Unser Tag begann wieder früh im Camp. Man sieht Orte, an denen ein Tag zuvor noch Zelte standen. Die Menschen sind weg. Die überall spürbare Unruhe wird auch im Umgang mit den Kindern sehr deutlich. Im Minutentakt streiten sich Kinder  und die meiste Zeit verbringen wir damit Eskalationen zu verhindern. Die Kinder spiegeln die Stimmung im Camp sehr deutlich wieder. Wieder verteilen wir Kleidung und andere Notwendigkeiten an Familien. im Hinterkopf die Vermutung, sie benötigen die Dinge für die weitere Flucht. Auf dem Rückweg trifft Nahid Amir und seine Mutter. Sie kann Ihnen noch Kleinigkeiten mit auf den Weg geben und dann sind sie weg. Einer aus der Gruppe sagt noch, dass er Amir sagte er solle nicht so viel mitnehmen. Als Nahid schaut was er gepackt hatte sieht sie in seinem Schlafsack sein „Deutschbuch“.
Bei Gesprächen mit Farsi sprechenden Menschen treffen wir immer wieder auf Menschen, die dort nicht richtig zu sein scheinen. dabei handelte es sich heute häufig um „Missionare“, die probierten die Menschen dort zu ihrem Glauben zu bekehren. Unsere Wut darüber ist fast grenzenlos. Uns scheint als hätten die Menschen dort im Moment sicher andere Probleme als darüber nachzudenken Zeugen Jovoas oder Evangelikale zu werden. Immer mehr Menschen erzählen von ihren Plänen. Die Farsiklasse ist deutlich geschrumpft. Und wir wissen, dass auch in den nächsten Tagen einige nicht mehr kommen werden.
Nach der Arbeit im Camp haben wir noch einen kurzen Stop gemacht um für Nasrin, ein junges Mädchen, das jeden Tag im CultureCenter arbeitet ein Packet mit den nötigsten Sachen für eine junge Frau zusammen zu stellen.

Tag 6

Nach dem zur Routine werdenden Besuch im Warehouse starten wir unseren Tag im Camp. Die Kinder stehen immer schon ab 09:00 Uhr vor dem Tor um endlich ins Center zu kommen. Nach Ankommen und Toben werden die ersten Aktivitäten angeboten. Je nachdem welche Ehrenamtlichen (Leute wie wir oder Bewohner des Camps) dort sind wird Sport, Yoga, Musik oder Schach angeboten. Danach werden die bis zu 150 Kinder grob nach Alter aufgeteilt. Für die Kleinen heißt es dann erst mal eine Runde malen und nach dem üblichen Toilettengang wird gespielt. Für die Größeren wird Mathe, Englisch, arabisch oder kurdisch angeboten. Dank der Kooperation mit dem Hotfood Idomeni Team werden die Kinder mit Frühstück und Mittagessen versorgt. Ab Ca. 13:30/14:00 heißt es für die Ehrenamtlichen durchatmen. Für uns heißt es meist durch das Camp zu laufen und die mitgebrachten Kleiderspenden zu verteilen. Zwischen 15:00 und 15:30 beginnt der Farsi Unterricht für die Kleinen und Amirs Einzelunterricht. Im Anschluss werden die Erwachsenen unterrichtet. Englisch für Anfänger und Fortgeschrittene wird von 17:00-18:00 angeboten. Von 18:00-19:00 findet der Deutschkurs für Erwachsene statt. Sonntags gibt es ein wechselndes kulturelles Angebot für alle Interessierten.

An diesem Tag starten wir unsere Vormittagstour wie üblich. Als wir mit den ersten Farsi sprechenden Menschen in Kontakt kommen, hören wir direkt, dass Amir uns seine Familie wieder zurück im Camp sein sollen. Wir gehen direkt zu ihrem Zelt, nehmen Platz und hören uns ihre Geschichte an…

Tag 7

Während unsere Arbeit im Center immer strukturierter wird, werden unsere Gespräche mit den Bewohnern im Camp immer intensiver. Die Menschen fassen Vertrauen und erzählen von ihren Leben in der Heimat, dem Weg bis zum Camp und ihren weiteren Plänen. Hier erleben wir ähnliches wie bei der Arbeit zu Hause, die Berichte berühren einen und lassen uns so schnell nicht mehr los. Eins jedoch unterscheidet sich, man weiß, dass die Geschichte hier im Camp in Idomeni noch kein Ende gefunden hat…
Auch heute wurden wieder Flugblätter an die Bewohner verteilt. Auf griechisch, arabisch und Farsi war zu lesen: “ die Grenzen sind zu und bleiben zu. Sie können in offiziellen Camps für Flüchtlinge gehen.  Dort haben wir für Sie eine Wohnmöglichkeit und Essen vorbereitet. Sie müssen mit den Behörden kooperieren, damit Sie dort hin gebracht werden. Asylanträge können nur in diesen Camps gestellt werden.“ Auch dies hat wieder zur Unruhe unter den Bewohnern geführt. Der Buschfunk im Camp trug an diesem Tag herum, dass die Grenze morgen am 01.05. geöffnet werden solle. Für den morgigen Tag wurden mögliche Ausschreitungen erwartet.

Tag 8

Ein Tag sowas wie Urlaub… Da am Sonntag kein normales Angebot in Center stattfindet wurde die Anzahl der Ehrenamtlichen auf ein Minimum reduziert. Wir haben den Tag genutzt um das Meer nicht nur vom Flugzeug aus gesehen zu haben. Schnell haben wir jedoch gemerkt, für den Kopf gab es keine wirkliche Pause.

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(Text und Bilder: Alena und Nahid)