Ahmed berichtet:
„25. März., ca.22:15 Uhr: Mein Handy klingelt. Eine unbekannte Nummer ruft an. Eigentlich gehe ich bei unbekannten Nummern nicht dran. Dieses Mal habe ich es getan. Rebecca ist dran. Das Mädel, die Roman an mich vermittelt hat. Rebecca hat einen Geflüchteten Menschen durch einen Freund kennengelernt. Mohammad ist sein Name. Mohammad musste aus Syrien fliehen. Er landete in Thüringen. Er wusste sofort , dass er dort nicht leben möchte. Als sein Asylantrag genehmigt wurde, hat sich Mohammad entschieden, nach Dortmund zu kommen. In Dortmund war Mohammad, bevor er nach Thüringen versetzt wurde. Rebecca wurde von einem Freund gefragt, ob sie Mohammad bei der Wohnungssuche helfen könnte. Sie nahm diese Aufgabe an. Das Problem war, dass sich Rebecca nicht so gut mit Mohammad verständigen konnte. Mohammad kann nämlich kein Deutsch und kein Englisch, sondern nur Arabisch und Türkisch. Rebecca hat irgendwann mal während ihres Studiums Türkisch gelernt, aber es reichte nicht aus, um heraus zu bekommen, welche Aufgaben anliegen. Es war leider bisschen mehr, als nur mal eine Wohnung für Mohammad zu finden.
Damit wir eine Wohnung für Mohammad suchen konnten, mussten wir uns beim Jobcenter in Dortmund melden. Diese wollten verständlicherweise, dass sich Mohammad in Dortmund anmeldet. Also war der nächste Gang zum Einwohnemeldeamt. Diese erklärten uns direkt, dass Mohammad ein festen Wohnsitz benötigt. Ohne diesen kann er sich in Dortmund nicht anmelden. In der Wohnung, in der Mohammad geschlafen hatte, durfte er vorübergehend wohnen, diese aber nicht als Wohnsitz melden.
Für Rebecca und mich ging die Arbeit jetzt erst richtig los. Wir mussten ein Zimmer oder eine Wohnung finden, bei der der Vermieter einen „Vorvertrag“ ausfüllen muss, mit diesem wir dann zum Jobcenter und zum Einwohnemeldeamt gehen können. Wir haben überall gesucht und gefragt. Ohne Erfolg!
Mittlerweile sind zwei Wochen vergangen. Mohammad verliert immer mehr die Geduld. Sein Geld geht ihm aus. Ihm liegen die Nerven blank. Ich treffe mich regelmäßig mit ihm und versuche, ihn zu beruhigen. Irgendwann sagt er mir, er überlege, einfach zurück nach Syrien zu gehen. Er habe keine Nerven mehr. Ich versuche, ihm weiter Hoffnung zu geben, habe aber selber keine Lösung parat. Ich überlege, wen ich fragen kann. Mir fällt niemand ein. Rebecca telefoniert die ganze Zeit herum um eine Wohnung zu finden. Ohne Erfolg! Ich überlege weiterhin, wen ich noch um Rat fragen könnte. Mir fällt eine Frau ein, die so ziemlich gute Kontakte hat. Ich dachte mir, ich kontaktiere sie mal. Regina ist ihr Name. Rebecca hat unsere Situation mit Mohammad dann in eine Email verfasst und wir haben sie Regina am späten Abend noch geschickt. Gleich am nächsten Morgen haben wir eine Antwort von Regina erhalten. Schneller als gedacht! Wir konnten kaum glauben, was in der Email stand. Die liebe Regina hat das Problem erkannt und bot uns an, dass Mohammad bei ihr einziehen kann, bis er eine Wohnung gefunden hätte. Ich habe Regina direkt angerufen und mich bedankt. Danach habe ich Rebecca und Mohammad angerufen, um ihnen diese tolle Nachricht mitzuteilen. Beide konnten es kaum glauben. Uns allen ist eine Riesenlast von den Schultern gefallen. Wir haben uns noch am selben Abend mit Regina getroffen, um Mohammad vorzustellen. Wir wurden mit einem Zweigänge-Menü empfangen. Wir stellten Mohammad vor. Ich übersetzte ein paar Sachen. Regina fand Mohammad sofort sympathisch. Was bei ihm auch echt nicht schwer ist! Mohammad ist total gerührt von der Gastfreundschaft von Regina und Achim.
Der „Vorvertrag“ wurde noch am selben Abend ausgefüllt. Somit konnte Rebecca sofort am nächsten Tag mit Mohammad zum Einwohnemeldeamt und zum Jobcenter.
Ein paar Tage später ist Mohammad in seine neue WG eingezogen. Die Wohnung ist groß. Mohammad hat ein eigenes Zimmer. Nach sechs Monaten endlich alleine in einem Zimmer schlafen! Mohammad fühlt sich wohl. Die Mitbewohner haben sich sogar für die Vermittlung bedankt. Mohammad berichtet mir, dass er nur noch ab und zu raucht. Vorher waren es zwei Schachteln Zigaretten am Tag. Ich merke Mohammad an, dass es ihm besser geht. Irgendwie läuft alles. Rebecca und ich haben inzwischen seinen HartzIV-Antrag ausgefüllt und abgegeben. Wieder ist Warten angesagt. An das Warten muss sich Mohammad gewöhnen. Ihm dauert das alles zu lange mit den ganzen Anträgen. Ich versuche, ihm zu erklären, dass er sich daran gewöhnen muss.
Ich treffe mich fast jeden zweiten Tag mit Mohammad. Irgendwie ist eine Freundschaft entstanden. Ich versuche, ihn so oft wie möglich mitzunehmen. Stelle ihn vielen Freunden vor. Alle finden Mohammad sympathisch, obwohl sich niemand mit ihm verständigen kann. Mohammad ist neugierig. Er stellt mir viele Fragen über Deutschland und Dortmund. Ich versuche, soweit es geht, alles mit meinem schlechten Arabisch zu beantworten.
Das Problem mit dem Jobcenter und dem Einwohnemeldeamt ist nun abgehakt. Mohammad möchte nun endlich zum Deutschkurs. Das Problem ist, dass alle Kurse voll sind und Mohammad auf jeden Fall auf die Warteliste muss. Wieder ist Warten angesagt! Mir fällt ein, dass Alena in einer Flüchtlingsunterkunft Deutsch unterrichtet. Also habe ich sie gefragt, ob ich Mohammad vorbei schicken könnte. Das war kein Problem. Der Deutschkurs findet zwar nur einmal in der Woche statt, aber Mohammad kann wenigstens anfangen, Deutsch zu lernen, und neue Leute kennenlernen.
Das mit „Leute kennenlernen durch den Deutschkurs“ hat gut geklappt.
Mohammads erster Discobesuch steht bevor. Ich habe mich mit ein paar Freunden verabredet, um feiern zu gehen. Ich habe auch Mohammad gefragt und er hat zugesagt. Mohammad war vorher in Deutschland noch nie in einer Disco. Es war für ihn ein Kulturschock. Er kannte sowas aus Syrien nicht. Seine Vorstellung war eine andere. Er selber hatte nicht wirklich Spaß. Ihn hat es aber gefreut, zu sehen wie fröhlich alle mitsingen und tanzen. Dafür, dass es für ihn eher anstrengend war, hat er trotzdem auf uns gewartet, bis wir nach Hause gegangen sind.
Mohammad sagt mir immer wieder, dass er nicht weiß, wie er das alles wieder gut machen soll. Es haben ihm bis jetzt in Deutschland viele Menschen geholfen. Nicht mal in Syrien hat er diese Hilfsbereitschaft gesehen. Ich versuche, ihm immer wieder zu erklären, dass er bei mir nichts gut machen muss. Ich würde mich freuen, wenn er einfach weiter macht und selber Menschen hilft. Diesen Rat nimmt er an und er sagt mir, dass ich ihm Bescheid geben soll, wenn er helfen kann.
Da ich ehrenamtlich noch anderen geflüchteten Menschen helfe, habe ich Mohammad nach seiner Hilfe bei Umzügen gefragt. Er hat sofort zugesagt. Mohammad ist eine große Hilfe, da er handwerklich sehr begabt ist. Er hat mittlerweile bei drei Umzügen mitgeholfen. Dadurch hat er andere Ehrenämtler und geflüchtete Menschen kennengelernt. Mohammad ist durch seine sympathische Art bei allen beliebt. Auch hier sind irgendwie Freundschaften entstanden.
Nach der langen Wohnungssuche, ist Rebecca nun endlich fündig geworden. Eine kleine Wohnung in einer schönen Gegend. Mohammad gefällt die Wohnung auch. Rebecca konnte den Vermieter überzeugen. Jawoll! Nach ein paar Tagen Warten kann Mohammad nun endlich seinen Mietvertrag unterschreiben. Möbel wurden im Vorfeld von Regina und Achim organisiert. Bald kann Mohammad in seine neue Wohnung einziehen.
Mohammad kann bald einen Deutschkurs besuchen, der mehrmals in der Woche stattfindet. Er ist froh darüber. Sein Wunsch ist es, Deutsch zu lernen und arbeiten zu gehen. Er hofft, dass er ganz schnell unabhängig vom Jobcenter wird und sich selbstständig finanzieren kann. Ein weiterer Wunsch von Mohammad ist, nachdem er Deutsch gelernt hat, Englisch zu lernen und Europa zu bereisen. „Ich möchte ganz Europa sehen“ sagt mir Mohammad oft.
Auch wenn Mohammad es selber noch nicht wirklich realisiert: Ich würde sagen, dass Mohammad angekommen ist.
Text: Ahmed Abdellatif